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Mittwoch, 2. Mai 2018

Oma, die Zeit und ich


Früher, ach ja früher.
Geschichtchen von damals soll ich schreiben? 
Wann „war damals“? 
MEINE Jugend?
Das ist für alle hier lesenden etwas aus der Märchenwelt.
Nach dem Krieg? 
EURE Jugend?
Was sollte da so besonders zu berichten sein ?
Da wurde gearbeitet.

Einesteils bin ich froh in der heutigen Zeit zu leben, andererseits trauere ich aber auch um die Vergangenheit.
Erst heute verstehe ich meine Oma wenn die immer von der „guten alten Zeit“ sprach.
Jede Generation hat ihre Zeit und im Nachhinein erinnert man sich daran. 
Das interessante dabei ist, das schlechte ist dann nicht mehr so schlecht und manches andere erscheint einem im rosaroten Licht.
Auch schlechtes verklärt sich zum guten.

Ich erinnere mich gern an meine Oma.
Sie war die einzige aus der Familie an die mich gern erinnere.
Sie war der Halt und der Mittelpunkt der zahlreichen Kinder und Enkel.
Opa ist im ersten Weltkrieg gefallen.
Schade. 
Denn jedes Kind sollte einen Opa oder eine Oma haben. 
Man braucht die als Gegenpol zu den Eltern.
Jeden Tag war ich bei ihr.
Zwei Kilometer zu Fuss durch Berlin.
Niemand hatte Angst das mir auf dem Weg was passieren konnte.
Als Hilfe war ja immer irgendwo ein „Schupo“ erreichbar.
Kaum zu glauben.
Er war damals unheimlich beliebt, der Helfer in der Not, unbewaffnet und immer ansprechbar und präsent. 
Auch wenn es nur darum ging wieviel Uhr es war oder man über die Strasse auf die andere Seite wollte,

Doch zurück zu meinen Besuchen bei meiner Oma.
Sie wohnte im Quergebäude im  4. Stock. 
Warum ging ich so gern zu ihr? 
Oma schickte mich immer zum Bäcker Uhlig in der Müllerstrasse zwei Stück Kuchen holen.
Die haben wir beide dann immer gegessen.
Nebenbei war Uhlig einer der besten Konditoren die ich jemals erlebt habe.
Oder ist das auch nur aus der Erinnerung so verschönt? 

Und wenn es mal nicht zum Kuchen reichte, in ihrer Küchenschublade lagen immer die abgeschnittenen Brotrinden.
Diese konnte sie nicht mehr beissen und ich hatte immer Hunger.
Daran hat sich leider bis heute bei mir nichts geändert.
Zu dieser damaligen Zeit war es nicht so, dass man die Zähne nach Belieben ersetzt bekam.
Oder auch wie heute Mode, mit einer Trense als junger Mensch durch die Botanik raste. 
So hat eben jede Zeit ihre Vor- und Nachteile.  
Und wieder mein alter Satz.
Be- bzw. verurteilen kann man immer nur, wenn man in der jeweiligen Zeit selbst gelebt hat.

Noch einmal zu meiner Oma zurück.
Sie war ihr ganzes Leben krank.
Ich kenne sie nicht anders.
Basta.
Sie hat bestimmt einen Lastwagen voll "Togal" Tabletten gegessen. (Diese musste ich immer holen) 
Dabei wuselte sie wie ein Wiesel durch die Wohnung, lag nie im Bett, trank anfangs ihren Wacholder, später den Eierlikör regelmässig, und wurde über 90 Jahre alt. 
Genau wie ich heute.
Vielleicht hat diese gesunde Lebensweise auch was mit dem alt werden zu tun?
Gut essen und vor allem trinken, das hält alle schädlichen Stoffe vom Körper fern. 

Ach ja, meine Oma. 
Nachdem sie zwanzig Jahre ihre Wohnung nicht verlassen hatte. (4. Stockwerk und keinen Lift wie heute überall) wollte sie einmal noch ihr  Berlin nach dem Krieg sehen.
Mit vereinten Kräften der Enkel wurde sie nach unten geschafft, in ein Auto gesetzt und durch Berlin gefahren.
Nach kurzer Zeit, so wurde mir berichtet, wollte sie sofort nach Hause in ihre Wohnung.
„Das ist nicht mehr meine Welt. In dieser möchte ich nicht leben“ waren ihre Worte.
Wobei ich sie heute sehr gut verstehe und ich wieder am Anfang dieses Posts bin.
Ich sehe das heute genau so.
Auch ich würde gern auf vieles verzichten und dafür glücklicher mit weniger Tinnef oder angeblichen Annehmlichkeiten leben.
Denn bei allem techn. Schnickschnack haben die Menschen vergessen zu leben.
Man ist doch heutzutage froh mal mit einem Lächeln beglückt zu werden.

Um noch einmal auf Berlin zurück zu kommen.
Früher sagte man zu denen: „Schnauze mit Herz“
Ich sage heute: 
„Die Schnauze haben sie behalten, aber das Herz verloren“

Nun sehe ich in Gedanken so manches mal zurück.
Ich möchte nichts von meinem Leben missen.
Auch nicht die Kriegsjahre.
Es war meine Zeit.
Mit allen Höhen und Tiefen.

Aber wenn ich so nachdenke.
Ich möchte heute auch kein junger Mensch mehr sein.
Diese Zeit ist auch meine nicht mehr.
Wie sagte Oma immer?
„Die gute alte Zeit“




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